Weinberge bei Certaldo, Autor: Francesco Sgroi (bearbeitet)
Weinberge bei Certaldo, Autor: Francesco Sgroi (bearbeitet)

Es ist immer die Frage, ob man eine Toskanareise mit Florenz beginnen soll, denn das ist in etwa so, als würde man – Antipasti und Pasta überspringend – gleich zur Hauptspeise übergehen. Florenz ist ein Fest für alle Sinne, an jeder Ecke wird man von Eindrücken geradezu überrollt, aber das kann auf die Dauer eben ganz schön anstrengend sein. Wir entschieden uns dafür, den „dicken Brocken“ gleich an den Anfang der Reise zu stellen, und uns dann zum Ausgleich draußen auf dem Lande zu erholen.

Sudlich von Florenz beginnt das Hügelland von Chianti, vielen Deutschen wohlvertraut, nicht allein des – vorzüglichen – Weines wegen. Den meisten Nordlichtern gilt das sanft gewellte Land mit seinen ebenmäßigen Konturen und den diffusen Farbabstufungen, den silbrig glänzenden Olivenhainen und den schlanken, kerzenförmigen Zypressen als Inbegriff der toskanischen Landschaft. Dabei hat die Toskana ganz verschiedene Gesichter: Schroff und rau im Norden, in den Apuanischen Alpen bei Carrara, wo weiß wie Schnee die berühmten Marmorbrüche leuchten; trocken, karg und steppenhaft in den Crete, südlich von Siena; die Küstenlandschaften, etwa die von uralten Pinienalleen durchzogene Ebene der Maremma oder ganz im Norden die Sandstrände der Versilia, zeigen wiederum eine andere Facette dieser faszinierend vielseitigen Region. Und doch erscheint uns nichts so typisch wie diese sanft modellierten Hügel, gekrönt von Zypressen, die sich wie dunkle, ausgestreckte Zeigefinger zur unverwechselbaren Toskana-Silhouette formieren.

Zwischen Val d’Elsa und Valdarno erstreckt sich das Anbaugebiet des Chianti Classico, das so manches berühmte und bisweilen nicht eben billige Tröpfchen liefert. Seit den Zeiten der Etrusker, die der Toskana als Zentrum ihres alten Herrschaftsgebietes den Namen gegeben haben, wird in der Region Wein erzeugt. Doch in den letzten 25 Jahren hat sich in diesem Weinanbaugebiet mehr verändert als in allen Jahrhunderten zuvor. Eine regelrechte Weinrevolution, ausgehend von einigen wohlhabenden Weingutsbesitzern, hat in diesem Zeitraum stattgefunden. Statt auf Masse wurde radikal auf Klasse gesetzt, sodass mittlerweile die toskanischen Weine zu den exklusivsten Gaumenschmeichlern gehören, die Europa zu bieten hat.

Bereits 1924 hatten sich die Winzer der Chianti-Region zu einem Konsortium zusammengeschlossen und den Chianti Classico mit dem „Gallo Nero“, dem schwarzen Hahn, als Emblem gesetzlich schützen lassen. Uber Jahrzehnte musste der Chianti-Wein nach der Formel hergestellt werden, die der toskanische Wein-Baron Bettino Ricasoli bereits im 19. Jahrhundert festgelegt hatte: Danach war der Chianti ein Mischwein, der aus zwei roten (Sangiovese und Canaiolo) und zwei weißen (Malvasia und Trebbiano) Trauben gekeltert wurde. Der Weißwein-Zusatz sollte den langsam reifenden, trockenen Rotwein geschmeidiger und schneller trinkbar machen. Heute gilt jedoch eine andere Weinphilosophie: Der Wein soll reifungsfähig sein und bei langer Lagerung seine samtigen und fruchtigen Aromen entwickeln können. Die antiquierte Mischregel des Barons wurde nach langen Querelen außer Kraft gesetzt, und heute besteht der Chianti ausschließlich aus roten Sorten mit einem überwiegenden Anteil der einheimischen Sangiovese-Traube.

Eine Wochenendfahrt durch das Chianti-Gebiet führt uns durch die liebliche Hügellandschaft nach Greve. Dort findet samstags auf der arkadenumstandenen Piazza Matteotti ein Markt statt, der Feinschmecker aus der ganzen Toskana anlockt. Hier auf dem Marktplatz pulsiert das Leben. Obst und Gemüse türmen sich verlockend, die Düfte von frischem Brot, Fischen und Kräutern steigen in die Nase.

Zunächst lassen wir uns einfach nur von Stand zu Stand durch die Menge treiben und nehmen die Eindrücke in uns auf. Doch dann meldet sich angesichts der bunten Vielfalt von Köstlichkeiten der Appetit. Für den ersten kleinen Hunger genügt erst einmal Bruschetta, geröstetes Weißbrot, mit Knoblauch eingerieben und reichlich Olivenöl beträufelt. Eine einfache Mahlzeit, aber mit dem vollen, intensiven toskanischen Olivenöl ein reiner Genus. Dann tauchen wir wieder ein in die Menge, kaufen da etwas Obst, dort Käse (vor allem Pecorino, den herrlich würzigen Schafskäse, der in der Toskana meist von eingewanderten sardischen Schafhirten produziert wird), und landen schließlich bei der „Norcineria“ (Wurstmacherei) von Signor Falorni, der vorzüglichen Schinken und Wildschweinsalami verkauft. Schwer bepackt gelangen wir wieder zum Auto, wobei natürlich auch die reichlich eingekauften Flaschen von Olivenöl und Grappa ordentlich ins Gewicht fallen.

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